Im letzten Beitrag habe ich über die Hirnforschung bereits geschrieben. Hier möchte ich nun nochmal ansetzen.

Die Neurobiologie hat interssante Beobachtungen in den letzten Jahrzehnten gemacht und bestätigt, was wir eigentlich schon immer gewusst haben: Das Gehirn ist kein Muskel, der einfach trainiert werden kann. Erst wenn uns etwas sprichtwörtlich „unter die Haut geht“ kann eine Veränderung auch zu einer Veränderung werden.

Der aktuelle Stand der Hirnforschung

Es muss noch etwas geben oder hinzukommen, das wie eine Art Dünger wirkt.

Erst durch den Dünger kann eine Veränderung auch zu einer Veränderung werden. Dieser Dünger soll bewirken, dass auch seitherige Netzwerke wieder umgebaut werden können. Heute wissen wir was dieser Gehirn-Dünger ist:

„Es muss einem regelrecht unter die Haut gehen“

Es muss mich etwas im innern „berühren“, damit es nachhaltig verändert werden kann. Und eigentlich wissen wir das alle schon längst, doch haben wir uns jemals darüber Gedanken gemacht?

Was sich mir noch nicht erschließt, ist unser immer noch veraltetes Schulsystem. Dabei könnten Kinder so leicht und mit Freude lernen – eben wenn die Lehrer oder wer auch immer sie mit etwas begeistern kann. Erstaunlicher Weise hatte ich in den Fächern, in denen mir der Lehrer oder die Lehrerin vermittlen konnte wofür etwas wichtig ist oder gebraucht wird und zudem auch noch mir seiner oder ihrer Art zu unterrichten, indem schon beim Vermitteln einen gewisse Begeisterung bei mir ankam, gute Noten. Ich musste weder viel zusätzlich oder sogar auswendig lernen sonden saugte das regelrecht auf wie ein Schwamm.

Und sind wir doch mal ehrlich: Geht es uns Erwachsenen nicht genauso? Alles was wir tun, was uns Spaß macht, geht mit Leichtigkeit und schnell.

Egal wie alt wir geworden sind, wenn wir uns für etwas stark interessieren und dann auch noch Freude daran haben etwas zu lernen oder uns anzueignen, dann schaffen wir das „mit links“. Und warum ist das so?

„Weil wir die emotionale Aktivierung im Gehirn brauchen, um Zellgruppen mit langen Fortsätzen zu aktivieren, neuroplastische Botenstoffe an den Fortsätzen zu lösen, die eben wir Dünger fürs Gehirn wirken.“ (Zitat von Dr. Gerald Hüther – Neurobiologe)

Das Gehirn wird in diesen Momenten genau dort mit Dünger versorgt, also in den Regionen, in denen sie im Zustand der Begeisterung gerade waren und intensiv genutzt wurden.

Daraus lässt sich Schlussfolgern:

„Wenn ich mich begeistern kann oder es schaffe, mich von oder über jemanden begeistern zu lassen, dann wird das auch was werden!“ (ebenfalls Zitat von Dr. Gerald Hüther)

Daraus ergibt sich nun die Frage:

Was muss denn passieren, damit ich mich für etwas begeistern kann?

Es muss für mich bedeutsam sein!“

Nochmal ein kleiner Rückblick in die Kindheit: Wie war das, als wir 3 oder 4 Jahre alt waren?

Ein Kind erlebt in diesem Alter am Tag 50 bis 100 Begeisterungsstürme, denn für die Kleinen gibt es unendlich viel zu entdecken. Jeder Krümmel auf dem Boden ist für ein Kind ein Wunderwerk. Sie greifen danach, möchten ausprobieren, wie es schmeckt oder wie es sich anfühlt und was sie  alles damit machen können. 

Auch ein zusammengeknülltes Blatt Papier kann für ein kleines Kind ein 30 Minütiges Begeisterungsfeuerwerk sein und damit bereits die „Dünger-Gießkanne“ im Hirn auslösen. Das ist auch der Grund, warum Kinder so viel in dieser Entwicklungsphase lernen, denn die „Gießkanne“ im Gehirn ist mehrmals am Tag in Gebrauch.

Dass ein Kind im Laufe seiner Entwicklung seine Begeisterung verliert und mit dieser Begeisterung auch seine ursprüngliche Offenheit, seine ursprüngliche Beziehungsfähigkeit, seine Gestaltungslust und seine Entdeckerfreude, das ist kein Naturgesetz, sondern das verliert das Kind dann, wenn man ihm vorschreibt, worüber es sich zu begeistern hat.

Der erste wichtige und richtige Ansatz in der modernen Schule wäre: Ein Lehrer sollte Kinder begeistern können und nicht mehr die veraltete Vorstellung haben, dass die kinder sich für das interessieren sollen, was der Lehrer für wichtig findet.

Allein die Belohnung und die Bestrafung oder Angst führt nicht zur Potenzialentfaltung

Das Lernsystem über Belohnung, über die Gier und Bestrafung, über die Angst, führt nicht zur Potentialentfaltung. Und dieses Prinzip geht auch im weiteren Leben weiter. Wir sollen Dinge machen, die uns gar nicht interessieren oder die unseren Neigungen einfach nicht entsprechen.

Ein Beispiel: Früher wurde man genötigt – sogar ganz früher gezüchtigt, ein Gedicht auswendig zu lernen. Meine Oma mit 90 kann diese Gedichte heute noch lückenlos aufsagen. Doch das Gedicht hatte für sie damals in der Kindheit überhaupt keine Bedeutung. Doch man hat im vorherigen Jahrhundert einen Trick gefunden, das auswendiglernen bedeutsam zu machen, in dem man den Kindern Schmerzen oder Leid zufügte. Die einfachste Variante war die Bestrafung und dann war es auf einmal bedeutsam.

Das Kind lernte also lieber das Gedicht auswendig, als dass es gelitten hätte.

Auch das bleibt in Erinnerung und im Gedächtnis hängen. So gut, dass man es auch mit 90 noch aufsagen kann. Nach dem gleichen Prinzip kann man auch Mathe oder Deutsch lernen, doch was bleibt? Das Kind hat seit diesem Erlebnis keine Lust mehr auf Gedichte. Die schöne Welt der Poesie hat das Kind gar nicht mehr gelernt und erfahren. Da wurde zwar gelernt, was der Lehrer sich gewünscht hat, aber es wird nicht der Sache wegen gelernt, sondern was man gelernt hat, ist, wie man der Strafe entkommen ist.

Zwar hat man in unserem Zeitalter schon gemerkt, dass sich das nicht mehr so gut verkaufen lässt, weil man der Meinung war, dass unsere Kinder nicht geschlagen werden sollen (was auch absolut der richtige Ansatz ist), also hat man sich eine andere Variante gesucht und die hieß: Belohnung. Doch die Belohnung ist nichts anderes, als das Prinzip der Bestrafung. Auch diese Form ist nur eine Art Abrichtungsprozedur.

Mit Belohnung wird etwas nur emotional aufgeladen, und dann lernen Kinder das, aber nicht wegen der Sache, wie Mathe zum Beispiel, sondern aus Gier nach der Belohnung, diese haben zu wollen.

Alle alten Prozeduren führen zwar dazu, dass wir etwas lernen, aber das auf diese Weise gelernte ist für die Potentialentwicklung nicht brauchbar, weil es nicht um die Sache ging, für die man sich begeistert hat, sondern für die Belohnung und im besten Fall begeistert man sich nur dafür, was man doch für ein toller Typ ist, der mit so wenig Aufwand so eine tolle Belohnung bekommt.

Das Prinizip sich für etwas begeistern zu können

Wie funktioniert nun das Prinzip sich für etwas zu begeistern?

Auch hier gehe ich nochmal zurück auf den Ursprung der Kindheit zurück. Alle Kinder machen schon vor der Geburt eine wunderbare Erfahrung: Jeden Tag im Mutterleib wachsen sie ununterbrochen ein Stück über sich hinaus: Körperlich und auch in den Fähigkeiten. Sie nehmen die Stimme der Mutter schon wahr, sie haben gelernt, wie das Fruchtwasser schmeckt, sie haben erste Bewegungsmuster eingeübt und können zum Beispiel den Daumen in den Mund stecken.

Das heißt also jeden Tag wachsen sie ein kleines Stück über sich hinaus und erwarten nun, dass das, was sie nach der Geburt auf der Welt erwartet, genauso weiter geht. Sie hoffen, dass sie dort Gelegenheiten finden, weiter aus sich hinaus zu wachsen, zu lernen Kernkompetenzen zu erwerben und dass sich auch damit autonomer werden und am Ende bedeutet das „frei“ zu werden.

Und dann gibt es noch die zweite wichtige Erkenntnis, dass wir vorgeburtlich mit jemandem schon einmal ganz eng verbunden waren.

Jedes Kind kommt mit dieser Erwartungshaltung auf die Welt und glaubt, weil es ja im Bauch der Mutter schon so eng verbunden war, wird sich da draußen auch jemand finden, mit dem es sich wieder verbinden kann und das ist bedeutsam für jedes Kind! So beinnt die soziale Bindung.

Wenn es gelänge, dass wir unseren Kindern das Gefühl geben könnten, dass sie tatsächlich dazu gehören und dass sie, so wie sie sind, richtig sind samt ihrer Begabungen, die schon angelegt wurden, dann würden sie auch das Gefühl entwickeln, dazuzugehören.

Statt dessen betrachten wir unsere Kinder leider häufig so, wie wir sie gerne hätten.

Das hat in der Entwicklung der Persönlichkeit und des Charakters enorme Auswirkungen, deren wir uns als Eltern gar nicht bewusst sind.

Wichtig: Fähigkeiten und Neigungen weiterentwickeln

Im Laufe der ersten Jahre sollten Kinder immer möglichst viele Möglichkeiten bekommen, ihre Fähigkeiten und Neigungen weiterzuentwickeln. Das geht aber nur, wenn sie auch zeigen können, was sie alles schon entwickelt haben. Verbietet man das den Kindern und bremst sie sogar noch aus, dann machen sie die Erfahrung, dass es wohl nicht richtig ist, was sie entwickelt haben und verlieren die Lust daran, weiter zu machen, denn es ist ja nicht mehr bedeutsam.

Folglich haben Kinder auch keine andere Wahl, denn die engen Bezugspersonen sind für sie wie Vorbilder, sie orientieren sich an ihnen und machen schon hier die ersten Erfahrungen, die sie dann als „war gut“ oder „war schlecht“ abspeichern.

Die ersten Prägungen sind Glaubenssätze, Vorschriften, Regeln und Grundsätze sowie Normen

In dieser Phase werden bereits die ersten Prägungen gesetzt. Prägungen sind Glaubenssätze, Vorschriften, Regeln, Grundsätze, etc. die zum Beispiel lauten: „so etwas macht man nicht“ oder „das kannst du nicht“ oder „dafür bist du noch zu unerfahren“.

Was folgt: die Begeisterung für etwas lässt immer mehr nach und statt dessen bilden sich regelrechte Autobahnen im Hirn, die immer wieder bestätigt werden, wie man etwas zu machen hat. Diese Erfahrungen sitzen tief und begleiten uns unbewusst ein ganzes Leben. Wenn wir die nicht sichtbar machen und aufdecken, werden wir immer in einer gewissen weise gehemmt sein und eben nicht frei und autnom.

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